Vergangene Ausstellung

Surreal Realities

14.06.2015 – 21.08.2015

In China dominiert die figurative Malerei, die sich auf die eigene Tradition beruft und zugleich Tendenzen westlicher Kunst in sich vereint. Ihr Aufstieg begann mit dem „Zynischen Realismus“, dem auch Liu Wei (geb. 1965) angehörte. Als einer ihrer wichtigsten Vertreter war er bereits 1995 auf der Biennale in Venedig vertreten. Mit seiner Malerei, die sich sowohl aus der chinesischen Tuschemalerei als auch aus dem Kolorismus der Expressionismus speist, hat er früh einen unverwechselbaren Stil entwickelt. Berühmt ist er u.a. für seine Gemälde, in denen er ein fleischiges Rosa gegen ein grelles Grün setzt und allein durch diesen Komplementärkontrast seine Motive ins Surreale transferiert. Zudem malt, übermalt und zerstört er seine Kompositionen, zunächst mit rein malerischen Mitteln, neuerdings jedoch auch real. Viele seiner Gemälde erzielen immer noch Höchstpreise bei den internationalen Auktionen. In jüngster Zeit befasst er sich erneut rein mit den Möglichkeiten der chinesischen Tuschmalerei und ihres Aufbrechens aus der klassischen Tradition. Interessant sind hierbei nicht nur seine Motive, die er weitgehend aus dem Landschaftskanon der chinesischen Malerei ableitet, sondern auch die Figuren und Betextungen, mit denen er seine Kompositionen durchdringt. Die Wörter verstehen sich weniger als Erläuterung denn als Störung im Bildkanon. Seine neuesten Tuschzeichnungen spielen gleichsam mit der Anmutung von Tradition und deren Konterkarierung im neuen Kontext. Zudem aufgerissen und scheinbar zerfleddert entwickeln diese eine eigene Anmutung von Schönheit und Zerfall.

Ji Dachun (geb. 1968) wurde zu Anfang seiner Karriere vor allem durch seine surrealen Collagen bekannt, in denen er assoziativ Absurdes in malerisch veristischer Manier zusammenfügte. Vor allem Tiere zeigten sich in komplexen Kompositionen oder Landschaften, die sich als kleine Kosmen erwiesen. Immer war es ein Sujet, das er ins Zentrum der Leinwand und damit auch ins Bild rückte. Das Motiv und der umgebende leere Raum stehen in eigenwilliger Spannung zueinander. Seit einigen Jahren malt Ji Dachun jedoch wieder weitgehend abstrakt und entwickelt dabei Landschaften, die sich mehr und mehr dem Blick des Betrachters entziehen. Sie verweisen formal gelegentlich auf seine frühen Werke, die ebenfalls vollkommen abstrakt, geradezu auratisch in sich verhaftet, wirkten. Zunächst mit nur kleinen Linien und Schraffuren aufgebaut, zudem wieder übermalt und verwischt, wirkten sie absichtsvoll wie unsichere Tastversuche. Seine neuen Landschaften hingegen sind kleine kosmische Welten, die in Grau-Schwarz oder Hellgrau-Weiß Tönen gehalten sind und deren einzelne Details scheinbar bis zur Unentzifferbarkeit ineinander verwoben sind. Auf der diesjährigen Biennale Venedig wurde er vom Kurator, Okwui Enwezor, in den Hauptpavillon aufgenommen. Das Motto der 56. Biennale, All the World’s Futures, in deren zentralen Pavillon, seine Werke präsentiert sind, entspricht so ganz dem künstlerischen Anliegen von Ji Dachun.

Der jüngste unter ihnen, Mu Boyan (geb. 1976), wurde bereits Anfang 2000 durch seine hyperrealistischen Skulpturen bekannt, in denen er ausschließlich dicke, nackte Männer, die wie behäbige Sumo-Ringer aussehen, in alltäglichen oder skurrilen Situationen „portraitierte“. Elemente wie Absurdität, Surreales und Abstraktes paaren sich hier trotz der omnipräsenten Hyperrealistik. Seine dickleibigen Männer stehen dabei in der reflektierten Tradition chinesischer Kultur, die auf die voluminösen Buddhastaturen erinnern. Mehr noch aber persiflieren sie die neue Wohlstandsgesellschaft Chinas und das sich wandelnde Männerbild, das in einer globalisierten Welt nach neuen Werten und Inhalten zu suchen scheint. Mu Boyan’s Fette Männer vereinen Skurrilität und Absurdes mit vermeintlich kindlicher Naivität. Doch dahinter zeigt sich unverhohlen eine spitzzüngige Kritik an einer durch und durch immobil gewordenen, saturierten und selbstgefälligen Gesellschaft.

Alle Künstler verkörpern auf sehr unterschiedliche Weise eine kritische Haltung gegenüber der eigenen Gesellschaft, wobei sie zwischen Surrealität und Abstraktion, zwischen liebevollem Humor und beißender Ironie changieren.

Die Ausstellung wird präsentiert mit freundlicher Unterstützung der Aye-Gallery Beijing.

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