Louis Cane

Louis Cane wurde am 13. Dezember 1943 in Beaulieu-sur-Mer (Frankreich) geboren. Nach seinem Studium an der École Nationale des Arts Décoratifs in Nizza und an der École Nationale supérieure des Arts Décoratifs in Paris sorgt der Künstler aufgrund seiner Stempelarbeiten (Tampons) für Aufsehen. Im Anschluss an die Serie der bemalten Papiere (Papiers peints) entstehen die großformatigen Leinwände, die systematisch all over mit einem Stempel versehen sind. Louis Cane setzte sich insbesondere mit der avantgardistischen Kunstideologie auseinander und beschäftigte sich seit Ende der 1960er Jahre in seiner abstrakten Malerei mit den materiellen Eigenschaften und formalen Komponenten des Bildes. Er gehörte zu Beginn der 1970er Jahre, neben elf weiteren französischen Künstlern, der Gruppe Supports/ Surfaces an.

Peinture 72-A-28, 1972

Seine hochrechteckigen, großformatigen Arbeiten der 1972 bis 1975 entstehenden Serie „Sol/Mur“, zu der auch „Peinture 72-A-28″ gehört, lösen sich aus dem Keilrahmen: Die mit einem  Zerstäuber „bemalte“ Leinwand wird mit Nägeln unmittelbar an der Wand befestigt. Dabei ist der Bildteil, der innerhalb der stets in dunklerem Farbton gehaltenen klaren Umrandung liegt, doppellagig. Die äußere Lage lässt sich wie eine „Zunge“ an drei Seiten herauslösen und wird auf dem Boden ausgebreitet. Auf diese Weise wird nicht nur die Wand- durch den Wegfall einer materiellen Rahmung des Bildes, an dessen Stelle die gemalte Rahmung tritt- in die Arbeit mit einbezogen, sondern auch der Boden. Die Malerei tritt zugunsten einer Betonung des Bildträgers zurück und das Werk erhält einen objekthaften, installativen Charakter. Es tritt über den Bildrahmen hinaus und transportiert die Farbe in einem Raum der Unendlichkeit. Der Betrachter wird durch die Räumlichkeit vortäuschende Umrandung in das „Bild“ geradezu „hineingezogen“ und mit dem am Boden liegenden Bildteil offenbar „eingeladen“, physisch in es „einzutreten“.

 

Gabriel pris dans le manteau de la vierge, 1978

In der Zeit zwischen 1973 und 1978 unternimmt Louis Cane zahlreiche Reisen nach Italien, wo er sich mit den Bildern und Fresken von Paolo Uccello, Cimabue, Giotto, Raffael und anderen auseinandersetzt und fortan deren Bildstrukturen zur Grundlage seiner Kompositionen nimmt. Alle Arbeiten charakterisiert eine Struktur von mehr oder weniger breiten, durchbrochenen Geraden oder Diagonalen, die auf architektonische Elemente der Bildvorlagen zurückgehen. In der seit 1975 entstehenden Serie der auf Verkündigungsdarstellungen der italienischen Renaissance Bezug nehmenden Engel, zu der auch die hochformatige, in Blau- und Gelbtönen gehaltene Komposition des Ludwig Museums gehört, begrenzen die Linien in mehreren Farbschichten teilweise gestisch ausgeführte Bereiche. Zusammen mit den angedeuteten Bogenführungen stehen sie für die Figur oder die Szene, die sich innerhalb der gemalten Architektur des Vorbildes entwickelt. Für die Grundkonzeption der Serie hat sich Cane mit dem Gemälde „Las Meninas“ von Velázquez beschäftigt. Cane erkannte hier, dass sich die Form des diagonal links ins Bild eingestellten Keilrahmens wiederholt, und zwar in der halboffenen Tür im Hintergrund und auf der rechten Bildseite in der Wandvertäfelung: Er vereinfachte die Komposition auf ihre Grundelemente, und so tauchen sie in jedem Bild seiner Engel-Serie links und rechts im Bild als Diagonalen auf, die jeweils in einer vom unteren Bildrand überschnittenen Senkrechten enden. Diese Formen erinnern im Grunde an die Flügel eines Triptychons, vielleicht auch im übertragenen Sinn an die Flügel des Verkündigungsengels Gabriel. Überhaupt, Cane ließ sich bei der Serie von der Vieldeutigkeit des Begriffs Engel in der Gegenwart tragen.

 

Let our eyes see you, 1979

Ein Jahr nach „Gabriel pris dans le manteau de la vierge“ malt Louis Cane ein weiteres Hochformat, das nun- wiederum in mehreren Farbschichten ausgeführt- auf eine Palette von Blautönen beschränkt bleibt. In die Komposition von dunkelblauen Farbfeldern sind vom äußeren Bildrand her jeweils in hellerem Blau an den beiden Außenseiten drei Vertikalen eingeschrieben. Am oberen und unteren Bildrand verlaufen zwei schmale Horizontalen. Derart eingefasst, wird die Komposition in der Bildmitte vertikal in drei Bildfelder, horizontal in zwei Bildfelder geteilt. In der unteren Bildhälfte sind in voller Höhe zwei Kreise eingestellt, deren äußerer Rand links beziehungsweise rechts an die innere Vertikale des eingeschriebenen großen Rechtecks grenzt. Auf diese Weise überlappen sich die Kreise jeweils in ihrer vertikalen Achse. Durch den „wolkigen“ Farbauftrag entsteht mit Hilfe der hintereinander und übereinander angelegten Vertikalen und Horizontalen eine Tiefenräumlichkeit, in die auch die beiden Kreise wie „Augen“ eingebunden sind und den Betrachter mit dem appellativen Bildtitel geradezu auf die Spur einer Befragung seines Selbst und seines Gegenübers zu setzen scheint.

 

Werke in der Sammlung Ludwig

  • Peinture 72-A-28, 1972, Öl auf Leinwand, 260  × 244 cm / 268 × 190 cm, Inv.-Nr. LM 1992/37
  • Gabriel pris dans le manteau de la vierge, 1978, Öl auf Leinwand, 245 x 205 cm, Inv.-Nr. LM 2000/1
  • Let our eyes see you, 1979, Öl auf Leinwand, 230 x 190 cm, Inv.-Nr. LM 2000/2
  • Ohne Titel (Blaue Figur), 1983, Öl auf Leinwand, 73 x 60 cm, Inv.-Nr. LM 2000/3
  • Ohne Titel (Rosa Figur), 1983, Öl auf Leinwand, 73 x 60 cm, Inv.-Nr. LM 2000/4

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