Hans Jürgen Schlieker

Hans-Jürgen Schlieker zählt gemeinsam mit Karl Fred Dahmen, K. O. Götz, Hans Hartung, Gerhard Hoehme, Bernard Schultze, K.R.H. Sonderborg, Fred Thieler, Hann Trier und Emil Schumacher zu den bedeutendsten Vertretern des deutschen Informel. Nicht so sehr im Vordergrund stehend wie diese, aber nicht minder interessant und kraftvoll in seinen Bildzyklen, hat er sich immer wieder mit der Natur und vor allem auch mit dem Phänomen des Lichts auseinandergesetzt. Der künstlerische Impuls zum Bild selbst entsprach der inneren Regung, dem seismografischen Ertasten des eigenen Selbst, das Schlieker aber immer im Dialog mit der Natur und deren Schöpfung verstand. So „lauschte“ er in ständiger Beobachtung der Natur selbst deren Veränderbarkeit nach. Mit ebenso rationaler wie auch emotionaler Versammeltheit fing er deren jeweilige Erscheinungen, ihr Verborgensein oder auch ihr Sich-Öffnen ein. Die Farben des Tages und der Jahreszeiten, die gesättigten Töne des erdigen Grundes, die Durchlichtung einer Landschaft bis hin zu deren olfaktorischen Sinneseindrücken übertrug er ins Bild. Die großen Linien und Rhythmen, die alle seine Bilder durchziehen und -kreuzen, stehen dabei wie Lebenslinien in einem inneren Zusammenhang, der nicht äußerlich sichtbar sein muss, sich jedoch im Inneren der Bilder als Kraftfelder manifestiert. Auch in der Arbeit „Nach S.“ bildet ein erdiges Rotbraun den bildbeherrschenden Grund, auf dem von oben links – wie ein Blitzstrahl – ein dunkler, fast schwarzgrundiger Keil sich ins Bild drängt. Wie ein Lavastrom gräbt er sich materialbehaftet tief in die Bildmitte, erst diagonal angelegt, dann jedoch abknickend und so ins Innerste des Bildes vorstoßend. Farben tropfen ab, die Farbspritzer bleiben deutlich als Spuren des Prozesses verhaftet, aus dem das Bild sich entwickelte. Auch hier ist es diese dunkle, beunruhigend und nicht völlig gradlinig ausgerichtete Geste, die wie eine Spur, wie ein Lebenszeichen einen Weg suggeriert. Der schon früh verstorbene Kunsthistoriker Bernd Growe vermerkte besonders zu diesen markanten Linien in Schliekers Werk: „Denn die malerischen Gebärden Schliekers sind ebensogut Akte des Infragestellens wie Setzungen. Das kann der anschauliche Nachvollzug ihrer Bewegung sinnfällig machen: immer wieder brechen sie ab, setzen neu ein, um wieder abzubrechen; sie spalten sich heftig an dieser Stelle, um an anderer brüsk durchkreuzt zu werden. Auf die Vehemenz des Einschlags der Farbe in die Bildfläche antwortet in der Leere des Grundes eine Ernüchterung, die sich zur Störung, zum Widerstand der Gebärde steigert.“ Insofern zeigt die dunkle, voller Kraft gesetzte Linie in „Nach S.“ einen Weg auf, der jedoch scheinbar – wie mittendrin – eine neue, völlig unverhoffte Richtung einschlägt, die dann nicht vollendet wird. Hans-Jürgen Schlieker hat viele seiner Bilder mit Ereignissen und Orten in Verbindung gebracht, gedanklich zumindest, ohne dass der Bildbetrachter sich auf diesen spezifischen Ort je einlassen müsste. Das Bild trägt den individuellen Ort und das Ereignis in sich und weist doch ganz autonom darüber hinaus.

Werke in der Sammlung Ludwig

Nach S., 1991, Öl auf Leinwand, 180 x 130 cm, Inv. Nr. LM 2004/1

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