Jean Tinguely

Bild des Monats März: Jean Tinguely: „Constante“, 1964, Eisenblech, Elektromotor mit rotierender Halterung für diverse Materialien, 35 x 21 x 35 cm, Sammlung Ludwig Museum, Koblenz, Inv. NR LM 1993/79-T 23 © VG Bild-Kunst Bonn, 2022

Seine quietschenden Maschinen aus Schrotteilen und seine beweglichen Reliefs machen Jean Tinguely zu einem der prominentesten Vertreter der kinetischen Kunst. Bereits eine frühe Arbeit, die er für Daniel Spoerris und Karl Gerstners Edition MAT (Multiplication d’Art Transformable, einreichte, belegt diese Dominanz alles Beweglichen in seinem Werk.

Tinguelys skurrile, aus Schrott und Fundstücken gebaute Kunstmaschinen sind bewegte und zugleich ad absurdum geführte Technikgebilde. Sie stellen die Funktionen einer Maschine, etwas zu Produzieren, in Frage und verdeutlichenderen Nutzlosigkeit und Sinnlosigkeit. Seine Arbeiten sind wie ein perpetuum mobile stets in Bewegung und Veränderung. Dabei werden die unterschiedlichen Arbeiten mal als heiter und verspielt, oft auch als witzig oder – insbesondere in seinen letzten Schaffensjahren – als melancholisch bzw. gar beängstigend erlebt.

Das Werk „Igor“ gehört zu Tinguelys Spätwerk der 1980er Jahre, in dem er neben Alteisen vermehrt auch Knochen und tierische Überreste zum Einsatz bringt. Das Quietschen und Klappern der Apparatur klingt gespenstisch. Zusammen mit dem sich schwankend bewegenden gehörnten Tierschädel entsteht eine groteske Gestalt, wie sie für Tinguelys letzte Schaffensjahre typisch ist. Im Gegensatz zu den gelegentlich mit recht fröhlichem Klamauk angefüllten Arbeiten der 1960-70er Jahre ist Tinguelys Spätwerk geprägt von Todesahnungen, Unheimlichem und Geisterhaftem.Verstärkt tauchen in seinen Maschinen nun Vanitas-Motive auf. Tinguely sagte von sich selbst: „… Mit der Vergänglichkeit stand ich schon immer auf gutem Fuss …“ und „Ich bin nur ein Dieb, ein Parasit der Technik, ein Stibitzer, ein Schmarotzer in dieser wunderbaren Industriewelt.“

Die letzten Lebensjahre befasst Tinguely sich nicht nur mit dem Stravinsky-Brunnen in Paris (1982-83), sondern vor allem auch mit der sehr persönlichen Reihe der Philosophen, die er in Assemblagen aus gefundenen Resten komponiert. Auslöser war die 1988 geschaffene Skulptur im Andenken an den Freund Yves Klein, die er „Dernière Collaboration avec Yves Klein“ nennt. Diese Hommage hat die Geburt einer ganzen Reihe von bewegten Schrottassemblagen zur Folge, die alle zoomorphe oder anthropomorphe Gestalt aufweisen, menschliche Dimensionen besitzen und die Namen von illustren Denkern, Forschern, Vorbildern oder Freunden tragen. In dieser unkonventionellen Porträtgalerie begegnen uns Figuren wie Demokrit, Jean-Jacques Rousseau, Friedrich Engels, Jacob Burckhardt, Henri Bergson, Frank Lloyd Wright, Piotr Kropotkin oder Martin Heidegger.

In diesem Kontext entsteht auch „Igor“, dessen Mischung aus tierischen Knochen, einer skurril geformten Wurzel, quietschenden Schwungrädern und Motoren den Kontrast Natur-Technik noch einmal heraufbeschwört.

Werke in der Sammlung Ludwig

„Igor“, 1989, Maschine, Eisen, Wurzelholz, Knochen, Motor und Holzsockel, 120 x 130 x 117 cm, Inv. Nr. LM 1992/18

„Constante“, 1964, Eisenblech, Elektromotor mit rotierender Halterung für diverse Materialien, 35 x 21 x 35 cm, Inv. NR LM 1993/79-T 23

 

AUDIOGUIDE:

Audioguide Jean Tinguely – Igor (Sound-Design):

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