Erró

Errós Werke haben als Thema die moderne Gesellschaft, die kulturelle Entwicklung und politischen Konflikte der Zeit. In seiner Malerei verbindet er Stile und Zitate aus verschiedenen Epochen und Genres zu ironisch-witzigen, aggressiv-satirischen „Kommentaren“,beziehungsweise zu überbordenden, vielfigurigen Panoramen,die den Anschein von Collagen erwecken. Seit den 1960er Jahren bedient sich Erró dazu eines aus allen bereisten Orten zusammen getragenen Fundus’von Motiven verschiedener Herkunft. Die Verwendung von frei zugänglichen Fotografien, Werken von Klassikern der Kunstgeschichte, Katalogseiten, Werbeplakaten, Kitschpostkarten oder Comicfiguren und der Verzicht auf eine künstlerische Handschrift im herkömmlichen Sinn verbindet Erró mit den Pop Art-Künstlern der USA. Anders als diese stellt er jedoch Figuren und Räume zu neuen Kontexten zusammen und schafft so eine gesellschaftskritische Form der Pop Art.

„American Interior No. 6“ist Teil einer siebenteiligen Serie. Erró geht in jedem der Bilder von architektonisch definierten Bildräumen aus, die er aus einem in Havanna gefundenen alten Katalog einer Farbenfabrik, in dem Beispiele für farblich gelungene Innenausstattungen reproduziert sind, abmalt. In diese hellen, in Pastelltönen gestalteten modernen Schlafzimmer fügt Erró heroisch stilisierte Figuren ein, die gemäß ihrer Posen, Kleidung und Physiognomie deutlich dem Imperialismus amerikanischer Macht den Kampf angesagt haben. Deren Vorlagen entnimmt Erró einem in Peking gedruckten Pamphlet mit Plakaten und Gemälden zur Unterstützung des Kampfes des Vietkongs, das er wiederum auch erst zwei Jahre nach dem Fund des Katalogs der Farbenfabrik entdeckt.

In der Version „American Interior No. 6“ist es der nordvietnamesische Staatspräsident Ho Chi Minh persönlich, der mit entschlossen geballter Faust in einem mondänen Schlafzimmer zwischen zwei sorgfältig mit einem Überwurf abgedeckten Einzelbetten vor einem Wand füllenden Spiegel steht. Der Bildtitel legt dem Betrachter nahe, das dargestellte Schlafzimmer als Sinnbild für das bürgerlich konservative Amerika der 1960erJahre zu sehen. Damit wird auf ironisch-provozierende Weise eine für den zeitgenössischen amerikanischen Betrachter bedrohliche Vision einer vietnamesischen Invasion in die USA beschworen. Aber der Führer des Vietkongs wird degradiert: Sein Kampfanzug hat das Pastellblau seiner Umgebung angenommen: Die martialische Geste wird entschärft, die Pose ins Lächerliche gezogen. Die Volksmenge, an die sich doch sein Kampfesgeist richtet, ist nicht zu sehen, deplatziert steht er in einem bonbonfarbenen amerikanisch wirkenden Heim.

Erró schreibt über die Serie im Jahr 1970: „Das Zusammentreffen dieser beiden Stoffe ließ die rote Farbe über den Pazifischen Ozean bis nach Las Vegas vordringen. Die Politik erweitert die Möglichkeit der Malerei. Die einzige permanente Revolution –der ständige Wandel –schreitet fort.“(in: Ausst.-Kat. 1980, S. 334)

Werke in der Sammlung Ludwig

American Interior No. 6,1967, Öl auf Leinwand, 90 x 115 cm, Leihgabe Sammlung Ludwig Inv. Nr. LM 1992/58

Audioguide Erro – American interior No 6.7:

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