Titel des wissenschaftlichen Vortrags:
„Damnatio Memoriae – über die Kunst des gezielten Vergessens in der Geschichte. Formen, Kontexte und Reichweite einer Kulturtechnik.“
Von Dr. Kai-Michael Sprenger
Leiter des Referates Archive, Bibliotheken, Nichtstaatliche Museen, Landesgeschichte und Heimatpflege Ministerium für Familie, Frauen, Kultur und Integration, Rheinland-Pfalz
Forschungsschwerpunkte:
Südwestdeutsche Landesgeschichte, Mainzer Geschichte, Geschichte Italiens im Mittelalter, Rezeptionsgeschichte des Mittelalters
Lebenslauf:
https://www.igl.uni-mainz.de/institut/mitarbeiter/dr-kai-sprenger.html
Im Zusammenspiel zwischen sinnstiftender Konstruktion der Vergangenheit (Geschichte) und der Erinnerung bzw. gezielten Tradierung von Information über Vergangenes kommt es zwangsläufig zu einer Selektion von Information und dabei zugleich auch zu Unterdrückung, Tilgung und Zerstörung anderer, alternativer Erinnerungen. Dabei wird bewusst aktiv in gemeinschaftliches Geschichtswissen eingegriffen, denn was nicht durch Schrift oder Monumente fest verankert wird, geht in allein oraler Tradition in der Regel nach spätestens drei Generationen unwiederbringlich verloren. Dieses bewusste Entreißen und Unterdrücken von gleichsam alternativer Erinnerung aus gemeinschaftlichem historischem Bewusstsein wird als „damnatio memoriae“ bezeichnet und geht zurück auf die antike Praxis so genannter Erinnerungsstrafen. Doch dieses Phänomen lässt sich in verschiedenen Kulturen und Epochen erkennen als gleichermaßen zerstörerische wie kreative Form im Umgang mit Information über Vergangenes und der sinnstiftenden Konstruktion der Vergangenheit (Geschichte). Hierbei sind immer Personen und Personengruppen beteiligt, die entscheiden, was für andere als gültige Geschichte zu zählen hat. Es geht um folgende Frage, die Peter Burke formulierte: „who wants whom to forget what and why“. Der Vortrag geht diesem kulturellen Phänomen an Beispielen der europäischen Geschichte aus zwei Jahrtausenden nach: von antiken, in Ungnade gefallenen Kaisern über so genannte Gegenpäpste des Mittelalters bis hin zu zerstörten Familienwappen, Denkmalstürzen und Formen der modernen so genannten „Cancel Culture“.
Datum: Donnerstag, 20. Oktober 2022, Uhrzeit: 18 Uhr, Kosten: Eintritt plus 3 Euro