V/O Medhermeneutica

Die von Pavel Pepperstein, Sergei Anufriev und Yuri Leiderman 1989 gegründete Sektion „Medizinische Hermeneutik“ versteht sich noch ganz im Geiste der jüngeren Generation der Moskauer Konzeptualisten, die jener älteren der sog. Non-Konformisten folgt. Zu dieser ersten Generation zählen bedeutende Künstler wie Wladimir Nemuchin, Anatol Brussilowski, Lew Kropiwnizki, Oskar Rabin und Ilya Kabakov. Von diesem inspiriert, machen sie sich in ihrer Unterwanderung alles Heiligen vor allem zahllose Motive aus der populären Kultur zunutze. Sie widmen sich Themen aus der Politik, der Religion und der Philosophie, die sie sezieren und auf ihre „Tauglichkeit“ für das wirkliche Leben hin befragen. Hierbei entwickeln sie einen „infantilen Konzeptualismus“, der es ihnen erlaubt, selbst
gewichtige philosophische oder politische Themen durch ihre ungewöhnliche, naiv wirkende Herangehensweise gedanklich und visuell aufzubrechen und neu zu besetzen. Dass dabei mitunter eine Ästhetik gewählt wird, die Hollywood-Filmen oder japanischen Animationsfilmen entstammt, steigert diese radikale Befragungsstrategie.

Das noch im Gründungsjahr entstandene Werk „Partisanen“ fokussiert 40 sorgfältig aufgereihte Bücher: Jeweils zu acht sind sie in fünf Reihen gegliedert, jedes einzelne von ihnen liegt aufgeschlagen. Eine grobe Kordel, wie sie gewöhnlich für das Verschnüren von Paketen genutzt wird, umschließt jedes dieser Bücher wie einen Knebel. Jedes Buch wird so in der Mitte nicht nur auf-, sondern zugleich auch umgeschlagen. Nur eine Seite, ohne vorherigen und nachfolgenden Kontext, bietet sich dem Betrachter zum Lesen an. Das eigentlich Frappierende ist dann jedoch die Tatsache, dass die Bücher akkurat in einem hölzernen Sandkasten, so als seien sie Spielzeuge für Kinder, liegen. Subversiv bedienen sich
die Künstler der Handhabbarkeit von Büchern, legen diese in die Belanglosigkeit eines Sandkastens und verdeutlichen doch sehr anschaulich die essenzielle Frage nach (Lese-)Inhalten. Das politische Diktat auf öffentliche und private Meinung wird in einer skurril anmutenden Form deutlich.