Raoul Ubac

Raoul Ubac, der bis heute in Frankreich als erfoglreicher Bildhauer gilt, ist ein Grenzgänger: sowohl im Hinblick auf seine geographische Verortung in Deutschland, Belgien und Frankreich als auch bezogen auf die künstlerische Betätigung in verschiedenen Medien, nämlich der Fotografie, Malerei, Grafik und dem Schiefer.

1946 beginnt seine Auseinandersetzung mit dem Material Schiefer, als er während eines Aufenthalts in Haute-Savoie das Bruchstück einer Tafel findet, das ihn in der Form so fasziniert, dass er mit einem gebrauchten Nagel eine Zeichnung einritzt. Fortan entstehen bis zu seinem Lebensende zwei- und dreidimensionale Werke aus Schiefer. Das Material beschafft er sich in Frankreich – in Trélazé und Bel Air bei Angers – oder in Deutschland – im Sauerland, im Gebiet der Eifel und Mosel, wo er sich, bedingt durch die Herkunft seiner Frau aus Siedingshausen, seit 1949 öfter aufhält.

Das Entstehungsjahr des zum Ludwig Museum gehörigen Reliefs ist für Ubac ein ereignisreiches: Er stellt erstmals seine Schieferarbeiten in der Wuppertaler Galerie Parnass aus, anschließend kann er sie in der Frankfurter Zimmergalerie zeigen. Auch fertigt er für deutsche Privathäuser mehrere Werke an. In Paris lernt er K. O. Götz und Otto Greis kennen. In Lüttich wird er durch die Teilnahme an der zweiten Ausstellung der Gruppe CoBrA in Belgien bekannt. Im Jahr 1951 entstehen neben der in Lebensgröße ausgeführten Arbeit des
Ludwig Museums auch zahlreiche Werke kleineren Formats: Dazu gehört „Kleine Liegende“ (13 x 69 x 3 cm, Slg. Leipacher, Wuppertal) ebenso wie die Darstellung von Fragmenten des Körpers, eine Hand, ein maskenhaftes Gesicht, ein Kopf. Es sind einander verwandte Sujets, wie sie Ubac bereits seit den 1940er Jahren in Gouache, Emulsion und Öl mit dem Pinsel ausführt.

Das schmale Querformat von „Große Liegende“ zeigt vor einem in vertikalen Linien ausgeführten „Hintergrund“, der sich später als reine Landschaftsdarstellung verselbständigt, eine der Länge nach ausgestreckte Figur in Aufsicht. Sie ist in der Umrissform geschlossen und formal sehr konzentriert angelegt. Die größeren, längsrechteckigen, geglätteten Formen geben fragmentarisch die Gesichtsform und Augen sowie die Arme und Beine vor. Die Binnenbereiche sind mit Meißel, Bohrer oder einem alten Nagel
in gerundeten, eng beieinander liegenden Linien ausgestaltet. In der strengen, archaisch wirkenden Arbeit wird Ubacs Respekt vor dem Bild des Menschen und der Welt deutlich. 1942 schreibt er: „Seit dem christlichen Zeitalter hat der Kopf, im besonderen das Gesicht, den Körper besiegt. … Es scheint mir notwendig, dass es der Körper von neuem auf sich nimmt, das Gesicht wieder in sich aufgehen zu lassen …“ (in: Ausst.-Kat. 1996, S. 48)

Werke in der Sammlung Ludwig

Große Liegende, 1951, dunkelgrauer sauerländischer Schiefer, 40 x 140 x 4 cm
Leihgabe Sammlung Ludwig, Inv. Nr. LM 1992/3

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